10 Dinge, die ich vor dem Wahlwandern-Start wissen hätte sollen

Drei Wochen bin ich jetzt täglich am Wandern, gut 850 Kilometer haben meine Füße und Blasen hinter sich gebracht, ungefähr 120 liegen noch vor mir. Aber so ein paar Dinge hätte ich gerne gewusst, bevor ich losgewandert bin. Zum Beispiel:

 

1.) Benutze immer (immer!) alle verfügbaren Toiletten. Du weißt nicht, wie weit es bis zur nächsten ist.

2.) Setze dich mit dem Sortiment an Blasenpflastern auseinander, bevor du die Weitwanderung beginnst.
Ich wusste vorweg vom Alpenverein, dass man die Außenseiten von großer und kleiner Zehe und die Fersen hinten mit einem Pflaster abkleben soll. Ich hab’ dafür handelsübliche Pflaster genommen, keine speziellen Blasenpflaster. Das war ein erster Schutz, Blasen sind trotzdem gekommen. Mein Fehler war, dass ich sie weiter mit “normalen” Pflastern abgeklebt habe. Da ist aber der Wundschutz drauf und der reibt ganz leicht weiter auf dem Hautstück, das sowieso schon beleidigt ist. Seit ich echte Blasenpflaster nehme, ist der Schmerz deutlich geringer. Ich kann aber nur empfehlen, immer genug Vorrat von allen Modellen (small, medium,
large, extreme, etc.) im Rucksack zu haben. Bei mir kommt es immer wieder vor, dass sich mitten auf der Strecke eine Blase bildet oder manchmal beim Gehen aufplatzt, obwohl sie verklebt ist (ja, das tut so weh wies klingt). Dann braucht man innerhalb weniger Meter was, um das erträglicher zu machen. Wer eine kleine Schere im Rucksack hat, kann das Blasenpflaster dann auch genauso zuschneiden, dass es keine neuen Falten und damit potentielle Reibestellen produziert. Und glaubt mir, beim Weitwandern entstehen manchmal Blasen an Fußstellen, die man nicht für möglich gehalten hat.

Flo hat einiges gelernt auf seinem Weg durch Österreich.

3.) Gehe immer über den Schmerz.
Blasen habens so an sich, dass sie bei jedem Schritt ziemlich wehtun. Zur Schonung geht man dann etwas anders oder humpelt sogar. Das funktioniert im normalen Alltagsleben ganz gut. Beim Weitwandern ist das aber gefährlich. Ich bin knapp 30 Kilometer so in Schonhaltung gegangen, dass sich meine (an sich kerngesunde) Hüfte am Abend gefragt hat, was ich ihr antue. Die Folge: Ich bin dann zwei Nächte lang hindurch vor Schmerz aufgewacht, wenn ich diese Hüfte im Schlaf leicht bewegt habe. Deswegen: So weh es tut: Wer bei Blasen oder anderen Wehwehchen einfach “normal” weitergeht, hat zwar 30-60 Minuten Schmerzen, dann hat sich der Körper zumindest in meinem Fall immer an die Blase/das Wehwehchen gewöhnt und ich bin normal weitergangen. Hüfte und Knie sind einem dann sehr, sehr dankbar.

4.) Nimm immer ein zweites Paar Schuhe mit.
Was ich bis zur dritten Wanderwoche nicht wusste: Schuhrandprellungen, wie sie viele beim Skifahren von den Skischuhen haben, gibt es auch bei Wandernschuhen. Diese Druckstelle am Schienbein hat in meinem Fall so höllisch wehgetan, dass ich zum ersten Mal ans Aufgeben gedacht habe. Ein Sportarzt hat mir dann gesagt, ich soll in normalen Laufschuhen weitergehen, die unter dem Knöchel aufhören. Das hat zwar auch noch drei, vier Tage wehgetan. Die Schwellung ist aber dann weg und man kann, so man ins Gelände wandert, wieder auf normale Wanderschuhe umsteigen. Und übrigens: Ein kleines festes Plastiksackerl im Rucksack schadet nie. Da kann man am Weg irgendwo kaltes Wasser (vom Bach, von einer Leitung, etc) einfüllen und damit bei Bedarf die Schwellung kühlen.

5.) Glaube Wegweisern mehr als deinem Smartphone.
Vorweg: Natürlich schau’ ich mir die Wanderrouten zuerst in der Alpenverein-App an. Aber für mich ist es viel stressfreier mit offenen Augen durch die Landschaft zu wandern und der Beschilderung in den nächsten Ort, zum nächstem Gipfel oder zur nächsten Hütte zu folgen als ständig das Smartphone offen zu haben und per Ortung zu schauen, ob man eh noch am richtigen Weg ist.

6.) Es hat meistens einen guten Grund, warum ein Wanderweg gesperrt ist.
Im Salzburger Land wollte ich auf Biegen und Brechen der Salzach entlang und habe auch ein Hinweisschild “Weg gesperrt” missachtet, weil ich mir gedacht habe, der Weg sei halt gesperrt, weil z.B. nicht gemäht wurde. Am Anfang war der Weg auch nur verwachsen. Je weiter ich rein gekommen bin, hab’ ich dann aber über abgebrochene Baumwipfel kraxeln müssen und bin dann mehrere Mal zu einem Salzach-Zufluss gekommen, den ich überqueren musste. Die Brücken für Wanderer waren aber weggespült und ich musste teilweise in gefährlichem Gebiet klettern. Das kann und sollte man sich ersparen, wenn man sich einfach an die Schilder hält.

7.) Vergiss die Gesamtdistanz und denke nur in Tagesetappen.
Mich hat in den ersten Tagen immer der Gedanke gequält, wieviel ich bei der Wanderung durch alle Bundesländer vom westlichsten zum östlichsten Ort Österreichs noch vor mir habe. Das drückt sehr auf die Stimmung. Seit ich mir angewohnt habe, die genaue Route nur für einen Tag festzulegen und erst am Abend die Route für den nächsten Tag auszuchecken, geht es mental viel einfacher. Und es ist am Abend ein Erfolgserlebnis, wenn man wieder 20, 30 oder sogar 40km geschafft hat (obwohl man noch insgesamt 800km vor sich hat).

8.) Hab’ immer Essen im Rucksack.
Ich bin eigentlich jemand, der aufs Essen vergisst, wenn ich was zu tun habe. Also Hunger kommt bei mir nur in Ruhephasen auf. Dementsprechend hätte ich gedacht, mit einem schön großen Frühstück bei Tagesanbruch und einem guten Abendessen mit meinem Team komm’ ich – wie daheim auch – gut über die Runden. Aber schon am ersten Wandertag hab’ ich gemerkt, dass mein Körper einen ganz anderen Bedarf hat. Notfalls-Müsliriegel sind jetzt immer im Rucksack, beim Frühstück pack’ ich mir noch zwei belegte Weckerl in Alufolie und zwei Bananen müssen auch immer dabei sein. Vermutlich reagiert jeder Körper anders – meiner braucht beim Weitwandern alle drei Stunden richtig was zu essen. Vermutlich für jeden gilt: Der Bedarf ist deutlich (!) höher als im Alltagsleben.

9.) Gib deiner Familie das Recht, die Wanderung zu unterbrechen.
Mich als Weitwander-Anfänger hat es in den ersten Tagen sehr drausgebracht, wenn auf der Strecke ein Anruf von daheim gekommen ist, obwohl ich zum Beispiel gerade bei einem extrem anstrengenden Aufstieg war. Für meine zwei Burschen und meine Frau daheim wars aber in diesem Augenblick wichtig videozutelefonieren. Ich mache jetzt immer Pause, egal wo ich bin – oder gehe, wenn die Burschen das sehen wollen, weiter durch die Landschaft und zeig’ Ihnen die Tiere oder Berge um mich herum. Wer das nicht macht, ärgert sich abends daheim im Bett und vermisst die Daheimgebliebenen dann noch mehr, wenn man – so wie bei uns – die zwei Videotelefonate pro Tag nicht zum wichtigsten Gespräch des Tages macht.

10.) Plane genug Zeit für unerwartete Begegnungen auf der Strecke ein.
Vor dem Wochenende zum Beispiel hab’ ich mich völlig verkalkuliert. Irgendwas war da los. Ich bin zum Beispiel zufällig bei einem Bieranstich für den Senioren-Judo-Weltmeister vorbeigekommen und gleich vom Bürgermeister begrüßt worden. Bei Dunkelheit und Regen hat mich eine Mutter mit ihrem Sohn noch erkannt, als ich die letzten Meter zu meiner Unterkunft gestapft bin. Und als ich am Voestwerk in Donawitz vorbeigegangen bin, hat – von mir unbemerkt – einer der Portiere am Werkeingang seine Mutter angerufen und ihr gesagt, ich sei gerade vorbeigegangen. Sie hat sich daraufhin ins Auto gesetzt, mich an der Strecke gesucht und wollte Hallo sagen und ein Selfie machen. An diesem Tag warens sich 30 bis 40 solcher überraschenden Begegnungen. Jetzt kommt bei uns natürlich die Fernsehkomponente dazu, aber ich kann nur jedem Weitwanderer raten: Die Gespräche mit Menschen, die du sonst nie getroffen hättest, sind das prägendste an so einer Weitwanderung. Und sie machen das Weitwandern weniger einsam, kommunikativ und lehrreich.

Und wie es mir in meinen ersten Tagen in Wanderschuhen gegangen ist, lest ihr hier.