Einschlafen mit Thomas Morgenstern

Einschlafen mit Thomas MorgensternEinschlafen mit Thomas Morgenstern: Eines kann ich ja gar nicht verstehen: Warum finden Kinder schlafen nicht genauso herrlich wie Erwachsene? Bettgehen grenzt an eine Strafe, gegen Einschlafen kann man sich wehren – das ist fast übermenschlich.

Manchmal hab’ ich das Gefühl: Je müder meine Frau und ich sind, desto länger dauert das Einschlafen bei den Kleinen und desto öfter wachen sie auf. Haben wir da vielleicht einfach besonders schlafablehnende Burschen?

Unser pitschepatschenasses Ritual

Wer Erziehungsratgeber durchschaut, erfährt, dass täglich-wiederkehrende Abendrituale helfen sollen. Dementsprechend haben wir vor vier Jahren schon mit Theo als Baby eingeführt, dass das Ritual am Abend mit Spaß in der Badewanne beginnt. Seit Noah auch selbst sitzen kann, wird gemeinsam mit dem großen Bruder gebadet. Noah erfreut sich an den kleinen Dingen der Badewanne – wie etwa dem Wasserstrahl aus dem Hahn. Theo macht da schon mehr Action und wahlweise mich im Gewand mit seiner Spritzpistole nass oder gibt Noah becherweise Wasser zum Trinken – was manchmal schon an Waterboarding grenzt. Auf jeden Fall ist das noch der größte Spaß am Abendritual – sowohl für Theo und Noah als auch für den meistens begossenen Pudel namens Papa.

Wenns dann ans Rausgehen kommt, wird’s ungemütlicher. Noah findet Nachtwindel anziehen nach einer halben Stunde FKK-Baden nur mäßig spannend und genießt es, wenn seine laute Stimme im Bad noch richtig hallt. Einzige Ablenkung vom Wiederanziehen ist meistens, wenn er sich seine drei Zähne selber putzen darf – und die Baby-Zahnbürste nicht selten ein bissl sehr weit Richtung Rachen steckt. Und wenn er Theos elektrische Zahnbürste surren hört, muss er sowieso genau schauen, was der große Bruder in seinem Mund so macht.

Dann trennen sich die Wege der zwei Burschen. In letzter Zeit geht Christina meistens mit Theo ins Bett – um genau zu sein: Liest ihm in der Höhle unter seinem Hochbett noch ein Pixibuch vor und wartet dann vor der angelehnten Zimmertür bis das alle fünf Minuten wiederkehrende „Mama, bist du eh noch da?“ in ein regelmäßiges, tiefes Atmen übergeht.

Ins Bett mit Thomas Morgenstern

Seit drei Wochen, also seit wir Noah in der Nacht vom Stillen wegbringen wollen, geh’ immer ich mit Noah schlafen. Anfangs hab’ ich mir am Arm noch lautstarken Protest anhören müssen, warum ihn heute einer ins Bett bringt, dessen Brust so völlig unnahrhaft ist. Im Vergleich zu Theo, der sich in den ersten eineinhalb Jahren seines Lebens oft in den Schlaf geschrien hat, beruhigt sich Noah aber deutlich schneller.

Auf den Trick, wie Noah am besten einschläft, hat mich Skispringer Thomas Morgenstern gebracht. Er hat mir einmal erzählt, dass er in Zeiten der größten Zweifel in seiner Karriere mit seiner kleinen Lilly „besprochen“ hat, ob er seine Springerkarriere beenden soll. Lilly – damals ein Jahr alt – hat logischerweise nie geantwortet, das meiste auch nicht verstanden, aber es hat die zwei einander nähergebracht.

Nachdem ich meine Skispringer-„Karriere“ schon mit fünf Jahren nach einem Köpfler in den Schnee auf der Rodelwiese beendet habe, plagen mich zwar keine Rücktrittsgedanken. Aber ich erzähle Noah alles, was ich tagsüber erlebt habe, was mich beschäftigt hat und worüber ich noch nachdenken will. Und zwar nicht, als würde ich das einem Baby erzählen, sondern eher als würde gerade ein wirklich guter Freund in meinem Arm einschlafen. Noah schaut mich dabei aufmerksam an, hört zu, denkt sich vielleicht seinen Teil über die komischen Dinge, die Papa über seinen Tagesablauf daherredet und verabschiedet sich dann nach ein paar Minuten in den Nachtschlaf.

Zugegeben, ein bissl komisch ist das schon, seinem elf Monate alten Baby über irgendwelche Meetings vom Frühstücksfernsehen zu erzählen. Bis Noah aufwacht, bin ich ja längst in der Arbeit. Aber der kleine Mann weiß schon vorher alles, was hinter den Kulissen in Papas Job so abgeht. Er kann ja die kleinen Geheimnisse momentan noch sehr gut für sich behalten.